Heute beginnen die „Hundstage“

Nathor1Als ob es in der letzten Zeit nicht ohnehin schon heiß genug war: Heute, am 23. Juli beginnen offiziell die „Hundstage“.
Das hat weniger mit den Tieren zu tun sondern viel mehr mit den Sternen:
Namengebend ist das Sternbild Großer Hund (Canis Major). Und natürlich hat das auch wieder einmal mit einer Göttin zu tun: Die altägyptische Sopdet galt als Verkörperung des Sirius (Hundsstern) — der Hauptstern im Sternbild „Großer Hund“. Als „Bringerin der Nilschwemme“ nahm sie im 3. Jahrtausend v.u.Z einen besonderen Rang ein:
Gegen Ende der ersten Julidekade konnte Sirius, der zuvor wochenlang unsichtbar mit der Sonne am Tageshimmel stand, an den Ufern des Nils erstmals in der sich erhebenden Morgendämmerung wieder erspäht werden.
Das gleiche Ereignis wurde später im antiken Griechenland als „heliakischer Aufgang“ bezeichnet, was so viel wie „mit der Sonne“ bedeutet.

Wenn die Göttin in Form des Sterns Sirius am Himmel wiederkehrte, nachdem er also lange nicht zu sehen war, galten diese „Hundstage“ entlang des Nils als sicheres Vorzeichen der nahenden, alljährlichen Sommer-Nilschwemme, die Schlamm und damit Fruchtbarkeit und Segen über die Felder entlang des Flusses brachte.

Neujahrsfest im Juli

Weil die Nilüberschwemmung Fruchtbarkeit garantierte, wurde das „Hervorkommen der Sopdet“ mit einem großen und vielumjubelten Neujahrsfest gefeiert.
Für die agrarische Kultur im alten Ägypten nahm die Landwirtschaft in der Nilregion nämlich eine zentrale Rolle ein. Die jährliche Nilschwemme war die „Eichmarke“ des Lebens und des Kalenders gleichzeitig.
Es ist klar, dass dieses Ereignis mit einer Göttin bzw. mehreren Göttinnen in Verbindung gebracht wurde. Sopdet wurde als Fruchtbarkeitsgöttin verehrt – sie bringt die Nilflut.

Die kosmische Beschwörung

Zuvor wurden die Fluten von der Göttin Nathor beschworen. Wir kennen diese Göttin des Nils von einer der bekanntesten Statuetten, die es von Frauenfiguren gibt. Tausendfach reproduziert steht sie in Vitrinen, auf Altären, ist sie als Schmuckstück gefertigt, auf Ritualtücher gestickt.
Mit hoch erhobenen nach leicht nach hinten gestreckten Armen steht sie da, ruft die große Flut, beschwört die Energien des Kosmos, ladet ihre Schwestergöttin Sopdet ein, spendet Segen, greift nach den Sternen.
Natürlich kannten die astronomisch Gebildeten im Alten Ägypten die Zeichen am Himmel und konnten wahrscheinlich ganz genau berechnen, wann sie mit den Nathor-Beschwörungen beginnen mussten, damit dann Sopdet-Sirius auftaucht und die sehnlichst erwartete Nilflut brachte. Für das „einfache Volk“ war das wahrscheinlich ein großer Zauber. Auch so kann „Magie“ funktionieren.

Geburtsgöttin der Sterne

Sirius ist der hellste Stern am Himmel. Er ist einerseits am Morgen bei der „Geburt der Sopdet“ und andererseits am Abend bei ihrem Gang in die Unterwelt in den Dämmerungsphasen vor allen anderen Sternen über dem Horizont zuerst sichtbar.
Daher erhielt Sopdet als Verkörperung von Sirius auch die Bezeichnungen „Geburtsgöttin der Sterne“ sowie „Begleiterin der sterbenden Sterne“.

Im antiken Griechenland wurde der Zusammenhang zwischen der Wiederkehr des Sirius und den Tagen der größten Sommerhitze durch den folgenden Mythos erklärten: Die Verschmelzung des Sonnenlichts mit dem „Feuer“ des Sirius sei Ursache der großen Hitze.
In der alten arabischen Astronomie wurde die in der flirrender Sommerhitze besonders häufig erscheinenden Fata Morganen gar als den „vom Himmel tropfenden Speichel des Hundssterns“ bezeichnet.

Hundstage im tiefsten Winter

Die Eigenbewegung des Sternbildes Canis Major und die Präzession der Erde sind dafür verantwortlich, dass sich die Zeit der Hundstage mittlerweile um etwa 4 Wochen verlagert hat. In unseren Breitengraden kann der „heliakische Aufgang“ des Sirius erst frühestens ab dem 30. August beobachtet werden.
Entsprechend der alten Tradition werden aber immer noch die heißesten Wochen des Jahres als „Hundstage“ bezeichnet.
Nach astronomischen Berechnungen wird der „heliakische Aufgang“ des Sirius in 10.000 Jahren sogar erst im Januar sichtbar sein wird – astronomisch gesehen würden die „Hundstage“ dann in den tiefsten Winter fallen.

Trancehaltung und zeremonielle Handlungen

Mit der Trancehaltung der Nathor scheint diese uralte Frauenfigur etwas zu rufen, zu locken. Es wird vermutet, dass die Göttin (oder ihre Priesterinnen) mit dieser Körperhaltung die Göttin Sopdet und damit die jährliche Nilschwemme beschworen haben.
Um sicher zu gehen, dass die so wichtige Nilflut jedes Jahr wieder kommt, wurden vermutlich zeremonielle Handlungen an den Flussufern durchgeführt, bei denen die Menschen möglicherweise Figurinen der Göttin (oder deren Priesterinnen in Gebetshaltung) in die Erde steckten.

Wer weiß – vielleicht hilft die Trancehaltung der Nathor ja noch immer, um in den „Hundstagen“ ein wenig erfrischende, kühlende Fluten zu beschwören …
Ich gehe jetzt einmal hinaus und probiere das gleich aus!

Mehr zu den erwähnten Göttinnen auf artedea.net:
Nathor
Sopdet

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