Santa Agatha oder die Brüste der Göttin

agatha-brotDas katholische Christentum lässt es mit seinen Heiligen ja ganz schön krachen. Besonders, wenn es weibliche Heilige sind. Da fragt man sich oft, was da so in den Gehirnen (oder womöglich auch in anderen Körperregionen) jener Männer vorgegangen ist, wenn sie diese Heiligenlegenden erfunden haben.
Ein besonders anschauliches Beispiel ist der heutige Agathentag.
Agatha – das ist eine schöne junge Frau mit abgeschnittenen Brüsten. Und diese präsentiert sie meist in ihrer vollen Pracht vor sich auf Brusthöhe auf einem Teller.
Vielfach zu sehen auf Darstellungen in Kirchen oder auf frommen Bildchen mit Sprüchlein darauf, den sogenannten Agathenzetteln. Das ist die eher „verschämte“ Variante – Brüste, die nicht mehr auf einer Frau angewachsen sind sondern am Silbertablett präsentiert werden, das darf ja in Kirchen gezeigt werden.
agathazettelAllerdings gibt es auch ganz grausame Gemälde, die Agatha in ihrem Martyrium zeigen, mit lüsternen Männern, die ihr mit Zangen zu Leibe rücken. Ich spare euch hier die Details, wen es wirklich interessiert, kann sich das hier anschauen.

Die Brot-Brust

Ganz besonders pikant sind die auch die Agathenbrote in Form von Brüsten, die in manchen Regionen in den Auslagen von Bäckereien am 5. Februar nicht fehlen dürfen. Der kommt schon einmal der Herr Pfarrer am frühen Morgen direkt in die Bäckerei, um dort das ofenfrische Brust-Brot zu segnen.
Und die Gläubigen verzehren dann neben dem Leib Christi auch den Busen der Agatha.

agathazettel1Die Heiligenlegende hat natürlich keinerlei historischen Anhaltspunkt, das gibt sogar heiligenlexikon.de zu.
Die Geschichte von Agatha ist ja eines der beliebtesten Motive zur Erreichung des Heiligenstatus: Junge Frau zum Christentum konvertiert weist Brautwerber ab, will keusch bleiben. Der verschmähte Mann setzt sie grausamen Foltermethoden aus, an deren Folgen die Frau stirbt und damit heilig wird. Das gibt es in unzähligen Varianten. Die katholische Kirche ist in einem wahren Rausch, wenn es um diese grausamen Geschichten geht, die besonders im Fall von Frauen auch meist einen sehr erotisch-sadistischen Unterton haben.

Im Falle der Agatha wurden ihr die Brüste mit einer Zange zerrissen, mit einer Fackel gebrannt und schließlich abgeschnitten. Noch weitere Details erspare ich euch.
Vielleicht noch so viel: In der Nacht erschien ihr dann Petrus im Kerker und wollte ihr an die abgeschnittenen Brüste mit „heilendem Balsam“. In frommen Schriften heißt es, sie „wies die Erquickung zurück“. Naja das hätte sie gerade noch gebraucht, dass ihr nach all dem Martyrium noch ein alter Knacker an ihren Wunden herumfummelt.
All diese Unglaublichkeiten waren beliebte Motive, die pornographischer nicht sein könnten.
So hat ein gewisser Giovanni Lanfranco die Petrus-Szene festgehalten und Sebastiano del Piombo die Bearbeitung der Brüste mit Zangen. Warnung: Diese Bilder sind echt widerlich, besser vielleicht nicht auf die Links klicken!

Agatha hilft bei Unglück aller Art

santa_agueda_-_zurbaran_detalleWas immer in den Erfindern dieser „Heiligen-Geschichten“ vorging, in den Malern, die diese Phantasien bildnerisch gestalteten, in den Pfarrern, die diese Bildern in den Kirchen aufgehängt haben und in den Gläubigen, die sie betrachteten – es wurde meist versucht, die ganze Story in etwas zu drehen, das gut für die Menschen ist. Dafür sind sie ja auch heilig.
Damit konnten sich die Gläubigen auch vor den Bildern versenken und zu den Heiligen beten.

Im Falle der Agatha wird erzählt, dass die EinwohnerInnen von Catania in Sizilien, jenem Ort, von dem sie angeblich stammt, den Lavastrom des ausgebrochenen Ätna mit einem Schleier von ihrem Grab aufhalten konnten.
Daher hilft Agatha bei Bränden und gilt als Schutzheilige der Feuerwehr. Und natürlich hilft sie auch bei Brustleiden, Fieber, Hungersnot, Unwetter, Viehseuchen, Erdbeben und ganz allgemein bei Unglück.

Wie ist das eigentlich mit dem „täglichen Brot“?

Mit dem für sie gebackenen Agathabrot sind weit über Sizilien hinaus viele bäuerliche Bräuche verbunden: Es wird angeblich nicht schimmlig und stellt sicher, dass immer ausreichend Brot im Haus vorhanden ist, wenn ein Stückchen des geweihten Agathenbrotes aufbewahrt wird. Kranken gereicht soll es Heilung bewirken, wenn eine Feuersbrunst im Orte ausbricht, wird es ins Feuer geworfen und kann dieses löschen. Ein Stück des gesegneten Brotes auf Reisen sollte gegen Heimweh helfen. Deshalb steckten Mütter ihren Töchtern und Söhnen ein Stückchen ins Gepäck oder nähten es sogar in ihre Kleidung ein, wenn diese aus beruflichen Gründen in die Ferne zogen.
In Ställen deponiert galt als Schutz- und Heilmittel für das Vieh. Vor dem Weideauftrieb wurden die Tiere mit einem Stückchen gefüttert, um Unheil von ihnen fernzuhalten.
Und auf die Alp mitgenommen soll das Agatha-Brot in den Hütten neben dem Kreuz hingestellt als besonderer Schutz für Mensch und Vieh dienen.

Wieviel Göttin steckt in der Heiligen?

Hoppla, da schimmert im Brauchtum etwas durch, das höchst verdächtig vorkommt.
Für „Unser täglich Brot“ war plötzlich gar nicht so Gott der Herr, sondern viel mehr die heilige Agatha zuständig. Klar: Lange Zeit vertrauten die Menschen den Getreide- und Saatgöttinnen, Mutter Erde, die das Getreide hervorbringt, aus dem Brot hergestellt werden kann. Erst im Zuge der Christianisierung war man der Auffassung, dass ein männlicher Gott, das „tägliche Brot“ gibt.

Das Kreuz als Schutzsymbol reicht allein offenbar nicht aus, vielmehr wurde auf das Symbol der Agatha in der einsamen Hütte hoch oben am Berg vertraut und damit vermutlich auf die Erdmutter, die alte Berggöttin.

Und die ganze Sache mit den Brüsten deutet schon allein auf eine Muttergöttin hin. Natürlich nicht eine mit abgeschnittenen Brüsten. Brust ist der Inbegriff von Nahrung. Brot ist es genauso. Deswegen wird es vermutlich auch in Form von Agathenbrot verzehrt. Nahrhafter als der „Leib Christi“ als dürre Oblate ist es allemal.

sagata_ctWenn in vielen Märchen und Sagen von Kuchen oder Brot die Rede ist, dann ist das oftmals auch ein Hinweis auf den „Mutterkuchen“, von dem das Ungeborene ernährt wird, bevor es nach der Geburt die Muttermilch zu trinken bekommt.
Wenn man den Begriff „minni di virgini“ googelt, dann sieht man erstaunliche Exemplare der „Agathen-Brötchen“.
So lecker, so nahrhaft, dass sie eigentlich nur auf Symbole einer mütterlichen Göttin zurückgehen können.

In Catania feiern die die Menschen drei Tage lang das Straßenfest Santuzza zu Ehren der Sant’Agata. Ihr Reliquienschrein wird auf einer Sänfte von einer Ehrengarde in weißen Gewändern durch das historische Zentrum gezogen.

Agatha – die Gute

bona-dea2Agathe ist übrigens ein altgriechischer Name und heißt übersetzt „die Gute“. Damit verweist die italienische Heilige auch auf ihre römische Ahnin, die Göttin Bona Dea, die „Gute Göttin“.
Diese ist Göttin der weiblichen Fruchtbarkeit, der Frauenheilkunde und der Hebammen und Geburtshelferinnen sowie der Jungfräulichkeit. Darüber hinaus ist sie Göttin des Segens der Erde, der Saat, der Ernte und der Überfülle.
Spätestens in der Funktion der Bona Dea als Schutzgöttin aller Frauen, die sich gegen männliche Gewalt zur Wehr setzten müssen, schimmert das durch, was die arme Agatha so dringend gebraucht hätte.
Gut möglich, dass die Rituale und Bräuche zu Ehren der Bona Dea in die christlichen Agathen-Verehrung übergegangen ist.
Schlimm nur, dass bei all den alten Göttinnen, die in Heilige umgewandelt wurden, so eine grauenhafte Märtyrerinnen-Geschichte dazwischen geschaltet ist.

Es gibt auch Interpretationen, die in den Agathen-Bräuchen Spuren der alten Verehrung der Göttin ägyptischen Isis bzw. der griechischen Kore/Persephone, der Tochter der Demeter sehen, die ja nun bald aus der Unterwelt emporsteigen wird und damit den Frühling ankündet.

Die Bauernregeln am Agathentag, dem 5. Februar sprechen da ja eine eindeutige Sprache:

St. Agatha, die Gottesbraut, macht, dass Schnee und Eis gern taut.
Am Agathentag rieselt’s Wasser den Berg hinab.
An St. Agathe Sonnenschein, bringt recht viel Korn und Wein.

 

Mehr Infos zu den erwähnten Göttinnen:
Bona Dea
Demeter
Kore
Persephone

Bildquellen:
artedea.net
https://it.wikipedia.org/wiki/Sant’Agata
https://de.wikipedia.org/wiki/Agathabrot
https://de.wikipedia.org/wiki/Agathazettel

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2 Antworten zu Santa Agatha oder die Brüste der Göttin

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