Viele Mythen ranken sich um das Phänomen Sonnenfinsternis, manche erzählen auch von Göttinnen.
An sich ist eine Sonnenfinsternis ja ein Ereignis, das wir uns heute physikalisch leicht erklären können: Bei Neumond kann es schon vorkommen, dass sich der Mond zwischen Erde und Sonne schiebt und so diese für kurze Zeit verdeckt.
Am 20. März ist es wieder einmal so weit, in unseren Breitengraden gibt es zwischen 9.30 und 12.00 Uhr eine partielle Sonnenfinsternis, die größte Bedeckung ist um 10.30 Uhr.
Bei totaler Sonnenfinsternis wird es dunkel auf der Erde, wie es viele von uns 1999 erlebt haben. Wenn das am hellen Tag passiert, dann war dieses Phänomen in früheren Zeiten sicher erschreckend und gab Anlass für zahlreiche Deutungen, sehr oft auch für unheilvolle Omen. Auf jeden Fall kommt dieses Phänomen in vielen Mythen mit unterschiedlichen Erklärungen vor:
In vielen Kulturen wird die Sonne als männlich angesehen, während dem Mond weibliche Eigenschaften zugeschrieben wurden.
Wenn wir einmal dem Denkmodell nachgehen, dann ist es doch spannend, dass heuer – just zu Frühlingsbeginn, jener Zeit, in der die hoffnungsfrohen Frühlingsgöttinnen zu wirken beginnen – der „weibliche Mond“ die „männliche Sonne“ verdeckt.
In Zeiten von Erderwärmung und sich immer mehr ausbreitenden Dürrezonen auf unserem Planeten, von patriarchalen „Strahlemännern“, die wie Sonnengötter mit ihrem Machtanspruch und ihrer Habgier Schlimmes auf der Erde anrichten, finde ich, dass uns dieses „himmlische Zeichen“ schon auch ein wenig zum Nachdenken anregen könnte.
70 % weniger Strahlkraft hin und wieder, wie es bei dieser Sonnenfinsternis der Fall ist, wünschte ich mir auch bei vielen Politikern, religiösen Führern und Wirtschaftsbossen.
Sonnenfinsternis: Mawu und Lissa machen Liebe
Das Leuchten der Sonne wird ja nicht überall als angenehm empfunden. So erzählt man sich beim Volk der Dahomey oder Fon in Nordwestafrika folgende Geschichte über Sonne und Mond:
Ursprünglichen trägt die Göttin Mawu-Lissa einen Stab mit einer Mondsichel und einer Sonne. In ihr sind alle Polaritäten vereint — Tag und Nacht, Wärme und kühlender Schatten, Leben und Tod.
Mit den christlichen Missionaren und ihrer Vorstellung vom männlichen Gott wurde Mawu von Lissa getrennt. Sie ist weiblich, er ist männlich und wird abwechselnd als ihr Sohn, ihr Zwillingsbruder bzw. Liebhaber dargestellt.
Lissa, der Sonnengott bekam (angelehnt an das christliche Vorbild) den Ruf als strenger, fordernder Gott weg, der auch mit der, in Afrika unbarmherzig strahlenden, Sonne gleichgesetzt wurde.
Von Mawu hingegen heißt es, sie wäre der begütigend wirkende Mond. Sie steht für die Kühle der Nacht, die auch ein Ausdruck von Weisheit ist. Dies alles drückt sich auch im Sprichwort „Wo Lissa bestraft, vergibt Mawu“ aus.
Immer, wenn es eine Sonnenfinsternis gibt, so glaubt man, machen Mawu und Lissa Liebe. Aus diesen Begegnungen sollen auch sieben Zwillingspaare entstanden sein. Diese wurden eines Tages von ihren Eltern damit beauftragt, ihre Verantwortung für die Welt zu übernehmen.
- Dem erstgeborenen Zwillingspaar übergaben sie die Kontrolle über die Welt und sie durften dafür alles vom Himmel mitnehmen, was sie dafür brauchten.
- Das zweite Zwillingspaar blieb im Himmel und herrscht über Blitz und Donner.
- Das dritte Zwillingspaar bekam die Macht über das Eisen, sodass Werkzeuge hergestellt werden konnten, um die Erde zu bearbeiten (dieses Zwillingspaar war sich uneins über die Verwendung von Eisen und so entstehen daraus auch Waffen).
- Das vierte Zwillingspaar bestimmt über das Wasser und die Fische.
- Das fünfte Zwillingspaar beschützt die JägerInnen und ist für die Luft und die Vögel zuständig.
- Auch das sechste Zwillingspaar beschützt die JägerInnen und ist für alle anderen Tiere zuständig.
- Das siebte Zwillingspaar ist schließlich für alle Pflanzen und im speziellen für die Bäume auf der Erde zuständig.
Die weibliche Sonne
Nun gibt es ja nicht nur männliche Sonnengötter, in vielen Kulturen wird die Sonne auch als weibliche Kraft angesehen, wie z.B. in Japan, wo die Göttin Amaterasu immer noch in ihrer leuchtend roten Strahlkraft auf der Flagge zu sehen ist.
Im Mythos verschwand Amaterasu eines Tages aus Gram in einer Höhle und auf der Erde wurde es finster. Man nimmt an, dass diese Geschichte einen realen Hintergrund hat. Vielleicht ist dies die Beschreibung einer Sonnenfinsternis, vielleicht auch die Verdunkelung nach einem Vulkanausbruch.
Sehr eindrücklich wird die Entstehung einer Sonnenfinsternis bei den in Grönland lebenden Inuit beschrieben. Die junge Frau Malina wurde einst nächtelang vergewaltigt. Um ihren Peiniger zu erkennen, schmierte sie sich eines Abends ihre Hände mit schwarzem Öl ein und sah am nächsten Tag entsetzt, dass der Vergewaltiger ihr eigener Bruder Anningan ist.
Sie setzte ihm mit einem brennenden Holzscheit nach, er flüchtete in den Himmel, wo er zum Mond wurde (immer noch an den schwarzen „Ölflecken“ zu erkennen), während sie sich zur feurigen Sonne wandelte.
Anningan, der Mond soll seiner Sonnenschwester immer noch nachstellen. Das ist der Grund, weshalb Sonne und Mond immer zu verschiedenen Zeiten aufgehen. Hin und wieder gelingt es ihm aber, seine Schwester einzuholen und sie erneut zu vergewaltigen. So entsteht eine Sonnenfinsternis.
Der schwarzgesichtige Mond – deutlich von seiner Schwester als Vergewaltiger gekennzeichnet – schiebt sich vor die strahlende Sonne.
Da die Sonnengöttin immer noch alle Männer hasst (genauso wie Anningan, der Mondgott die Frauen hasst), wird bei den Inuit den Männern geraten, während einer Sonnenfinsternis in ihren Häusern zu bleiben, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, von der Sonnengöttin mit Strafen und Krankheiten heimgesucht zu werden.
Dieser Mythos könnte uns dazu veranlassen, bei der Sonnenfinsternis innezuhalten und etwas für die unzähligen Frauen zu tun, die Vergewaltigungen (auch und vor allem im eigenen Familienverband) ausgesetzt sind. Eine kleine Spende an ein Frauenhaus ist da schon einmal ein guter Ansatz.
Der übermütige Sonnensohn
In der griechischen Mythologie ist die Legende der ersten Sonnenfinsternis eine sehr männliche und handelt von Bubenstreichen, einem zürnenden Obergott und einem trauernden Vater:
Phaéton, der Sohn des Sonnengottes Helios, wollte so gerne einmal Sonnenwagen seines Vaters lenken. Dieser überließ seinen Sohn für einen Tag den Sonnenwagen, unter den Bedingungen nichts Leichtsinniges zu tun und sich verantwortungsvoll zu verhalten. Phaéton war jedoch, übermütig und entzündete, wenn auch unabsichtlich, ganze Städte, Wälder und Menschen. Zeus der Obergott war darüber so erbost, dass er Phaéton mit einem seiner Blitze erschlug und tötete.
Dessen Vater Helios fiel darauf hin in tiefe Trauer und verhüllte den restlichen Tag sein Antlitz und fuhr nicht mehr über den Himmel. Dies soll die erste Sonnenfinsternis gewesen sein.
Tja, die kleinen bösen Buben der großen strahlenden Väter. Sehr erstaunlich finde ich es immer noch, dass im Jahr 2008 als in Kärnten „die Sonne vom Himmel gefallen ist“, der Unfallfahrer Haider just einen „VW Phaéton“ lenkte.
Böse Drachen und brennende Pfeile
Wie erklären sich andere Völker in ihren Mythen das Phänomen Sonnenfinsternis?
In China glaubte man, dass ein böser Drache versucht, die Sonne zu fressen. Die Menschen versuchen ihn mit lautem Getöse davon abzuhalten.
In Japan wurden Brunnen abgedeckt. Man glaubte, bei einer Sonnenfinsternis werde das Wasser vergiftet.
Der Stamm der Arapaho in Nordamerika glaubt, Sonne und Mond wechseln das Geschlecht, weshalb der Tag zur Nacht wird. Und das Volk der Chippewa (ebenfalls Nordamerika) fürchtete, die Sonne würde erlöschen und sie schossen daher brennende Pfeile gegen den Himmel um sie wieder anzuzünden.
In Brasilien sind verschiedene Völker davon überzeugt, dass ein großer Vogel die Sonne mit seinen Flügeln verdeckt.
Ich persönlich freue mich, dass rund 12 Stunden nach der Sonnenfinsternis der Frühling ganz offiziell beginnt: Um 23:45 MEZ. Damit werden die Tage länger und die Erde wird freundlich jeden Tag ein wenig mehr von der Sonnenmutter bestrahlt, wie das z.B. die baltische Sonnengöttin Saule macht, die liebevoll mit ihrer Wärme ihrer Erdtochter Zemyna Wachstum, Fruchtbarkeit, Licht schenkt. Das werde ich feiern!
Für alle, die noch Anregungen für ihr ganz persönliches Frühlingsfest brauchen: Viele davon gibt es im artedea-E-Book: Ostara – Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche: Die Rückkehr des Lebens
Mehr Infos zu den hier erwähnten Göttinnen:
Amaterasu
Malina
Mawu
Saule
Zemyna
Wunderbar, ich hoffe, meine „Mitnahme“ ist o.k.
Liebe Grüße
Reblogged this on altweibergeschichten and commented:
Einfach interessant und nachdenkenswert
Herzlichen Dank Andrea und viel Freudenlust beim Feiern!