Der Jahreswechsel vom 31. Dezember auf 1. Januar ist ja ein willkürliches Datum.
In anderen Kulturen, die die Zeit messen und daher auch einen Fixpunkt festgelegt haben, wann wieder alles von Neuem beginnt, gibt es für den Beginn des Neuen Jahres andere Termine. Diese richten sich vor allem nach Jahreszeitenwechsel, nach Mondzyklen oder Sternenkonstellationen.
Im antiken Rom wurde der Jahresbeginn an den Iden des März (d. h. am 15. Tag des Monats) festgesetzt, einem Termin, an dem die Natur wieder zu neuem Leben erwacht und das „Neue“ deutlich zu spüren ist.
Daher wurden zu Ehren der Göttin Anna Perenna Feiern unter freiem Himmel abgehalten.
Ihr Name leitet sich vermutlich von lat. anus („alte Frau”) oder von annus(„Jahr”) und perennis („ewig”) ab und bedeutete auch „stets wiederkehrendes Jahr“.
Sie ist die Großmutter der Zeit, gilt als Mutter der Aeonen, ist für Alpha & Omega (Anfang & Ende) zuständig und damit auch die Göttin des Jahreswechsel.
Jahreswechsel im Frühling, im Herbst
oder sonst irgendwann im Jahr
Ebenfalls im Frühling wird im Iran, Afghanistan, Tadschikistan (auch bei Völkern in Anatolien, dem Kaukasus und Pakistan) No-rouz („Neuer Tag“) gefeiert – nach dem Beginn des altpersischen Sonnenjahres, das bis auf Zarathustra zurückgeht.
Dieses Neujahrsfest wird mit dem Tag des astronomisch berechneten Eintritts der Sonne in das Tierkreiszeichen des Widders, also dem Frühlingsbeginn (Tagundnachtgleiche) berechnet. Diese Tradition wurde lange beibehalten und No-rouz wird noch jetzt gefeiert. Im Iran dauern die Feierlichkeiten zu No-rouz 13 Tage.
In der restlichen moslemischen Welt beginnt das Jahr immer nach dem Monat, in dem die Hadsch (Pilgerfahrt) stattfindet.
Nach gregorianischem Kalender wird das islamische Neujahr 2020 am 20. August (1442 n.H.) begangen.
Das Jahr ist zu Ende, wenn Ruhe einkehrt
Feiern die einen den Neubeginn, wenn in der Natur zu Frühlingsbeginn alles wieder zu sprießen beginnt, so ist in keltischen Gebieten und nach der alten keltischen Mythologie der Stichpunkt für den Neubeginn jener Zeitpunkt, an dem die allerletzte Ernte abgeschlossen ist und alles in die Ruhephase geht. Der Gedanke dabei ist, dass nur etwas neu entstehen kann, wenn es zuvor eine Ruhezeit gibt, damit das Neue auch wirklich Kraft hat. Daher geht in der keltischen Mythologie die Nacht auch dem Tag voran, während wir ja eher das Gefühl haben, dass zuerst der Tag ist, der dann in der Nacht seinen Abschluss hat.
Die jährliche Zeitenwende findet also zu Samhain statt, in der Nacht vom 31. Oktober auf 1. November. Wenn alle Natur in die Erde zurückkehrt (als Sinnbild dafür steht oft die Göttin Hel), um in ihr zu ruhen, dann wird das als Beginn eines neuen Jahres, eines neuen Zyklus angesehen.
Im Buddhismus wurde als Jahresbeginn der zweite Neumond nach der Wintersonnenwende festgesetzt. Das chinesische, koreanische und auch vietnamesische Neujahrsfest findet daher zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar statt – am ersten Tag des ersten Monats des Mondkalenders.
Im Jahr 2021 ist das (gerechnet nach unserem Kalender) der 12. Februar, da beginnt das Jahr des Metall-Rinds.
Das tibetische Neujahrsfest Losar richtet sich ebenfalls nach dem Lunisolarjahr, wird aber meist 4 Wochen später begangen.
Der Jahresbeginn des Maya-Kalenders wird durch eine Galaktische Konstellation, (Konjunktion von Sonne, Erde, Sirius) berechnet und ist im Sommer.
Das Maya-Jahr endet immer am 24. Juli und mit dem 25. Juli, dem „Grünen Tag“, befindet sich die nächste Zeitpforte in Vorbereitung. Am 26. Juli beginnt dann der Zyklus von Neuem.
Geburtstag von Adam, Todestag von Papst Silvester
In der jüdischen Welt wird Rosch Haschana (Kopf des Jahres) am 1. und 2. Tag des jüdischen Kalendermonats Tischr(e)i gefeiert.
Laut Talmud ist Rosch ha-Schana der Beginn und in der Folge Jahrestag der Weltschöpfung, steht aber auch für den Jahrestag der Geburt Adams. Das nächste Mal findet das jüdische Neujahr nach dem gregorianischen Kalender vom 7. bis 8. September 2021 statt.
Im gregorianischen Kalender, nach dem wir unsere Zeit einteilen, wurde im Jahr 1582 der letzte Tag des Jahres vom 24. Dezember auf den 31. Dezember verlegt.
Warum gerade dieser Tag?
Wir begehen damit den Todestag des Papstes Silvester I., der am 31. Dezember des Jahres 335 gestorben ist.
Übrigens: Silvester ist ein lateinisches Wort und bedeutet „zum Wald gehörig“. Silvester ist also ein Waldmann. Vielleicht sollten wir Silvester daher im Wald feiern. Das wäre für heuer eine gute Alternative, da ja fast alles andere verboten ist. Eine stille Verbindung mit der Natur in dieser Übergangsnacht vom Alten ins Neue ist sicher gut.
Das bringt uns auch zur Neujahrsgöttin Strenia.
Sie ist nämlich eine römisch-sabinische Waldgöttin. Bekannt ist Strenia vor allem damit, dass sie über die nach ihr benannten Neujahrsgeschenke, die „strenae“ wachte.
Im antiken Rom wurden zu Neujahr Geschenke ausgetauscht. Diese galten als Gunstbeweise und wurden im Namen der Göttin Strenia weitergegeben, die nicht nur für Kraft und Stärke steht, sondern auch dafür zuständig ist, Geschäfte und Unternehmungen aller Art zu unterstützen. Es wurden aus dem, der Göttin geweihten, Holz aus ihren heiligen Hainen kleine geschnitzte Objekte hergestellt und zum Geschenk gemacht. Am Neujahrstag wurde in einer Prozession Reisig aus dem Hain der Strenia zur Zitadelle getragen und dort als Glückszweige verteilt. Die ersten Aufzeichnung dieser rituellen Handlung stammt aus dem Jahr 153 v.u.Z. Vermutlich war der Neujahrstag der 1. März — der Beginn des römischen Jahres.
In früheren Zeiten wurde in Europa der Jahreswechsel nicht am 1. Januar, sondern am Dreikönigstag, dem 6. Januar oder auch am 1. April begangen, also kurz nach dem Frühlingsbeginn. Möglicherweise hat der Aprilscherz hierin seinen Ursprung. Wer bei der Kalenderreform nicht mitmachen und das alte Neujahrsfest feiern wollte, wurde mit ironischen Gaben und Spott an das neue Datum erinnert.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Doch egal, was die Begründung für genau dieses Datum des Jahreswechsels ist – dieser Termin hat als Übergang einer alten zu einer neuen Zeitperiode immer sein Geheimnis, seine Symbolik und seine Feste und Zeremonien – je nach der zugrunde liegenden Weltanschauung.
Man spürt so etwas wie einen Hauch der „Ewigkeit“.
Erscheint uns das „Jetzt“ sonst vielleicht klein und unbedeutend zwischen der langen Spanne der bekannten Vergangenheit und der unbekannten Spanne der Zukunft, so kann es in dieser speziellen Stunde des Wechsels noch am deutlichsten gespürt werden.
Und schließlich ist dieses „Jetzt“ auch alles, was wir haben – als Zwischenraum zwischen Alt und Neu, zwischen Gestern und Morgen, zwischen Einatmen und Ausatmen.
Hier haben Menschen schon immer ihre Einbindung in das Universum und seine vermutete Ewigkeit spüren können.
„Rutschen“ mit roter Unterwäsche
Und seit jeher versuchen Menschen zum Jahreswechsel mit Glücksbringern, Orakeln und Glückwünschen in die Zukunft zu sehen bzw. diese auf magische Weise positiv zu gestalten
Die römische Göttin Anna Perenna kann in die Zukunft sehen, die Vergangenheit überblicken und weiß alles über das Hier und Jetzt – sie wurde daher in Orakeln gefragt und beschworen.
Unsere Silvesterbräuche mit viel Lärmen, Kracher, Böller mit viel Rauch abzuschießen sind Fragmente von alten Rauhnachtsbräuchen, in denen man Lärm und Rauch „böse Geister“ vertreiben wollte, von denen man annahm, dass sich diese in den sogenannten „Unternächten“ nah an die Häuser der Menschen heranwagten.
Auch das Alte, Unbrauchbare, Unaktuelle soll damit vertrieben und nicht in das Neue Jahr mitgenommen werden.
Allerlei Riten und Mythen haben sich in oft veränderter Form in die Jetztzeit herüber gerettet.
Wir deuten in der Silvesternacht allerlei aus gegossenem Blei, verschenken Glücksklee und essen spezielle Glück bringende Speisen (wie Linsen, die Geldsegen im Neuen Jahr bringen sollen).
In Italien und anderen südlichen Ländern tragen die Frauen rote Unterwäsche in der letzten Nacht des Jahres, das soll Glück, Lebenskraft und Fruchtbarkeit für das kommende Jahr bringen.
Wenn wir uns einen „guten Rutsch“ wünschen, hat das übrigens nichts mit einem Hinüberrutschen ins neue Jahr zu tun. Der „Rutsch“ kommt vom hebräischen Wort „Rosch“, was soviel wie „Jahresanfang“ bedeutet.
Das Wort „Prosit“ wiederum ist lateinisch und bedeutet übersetzt: „Es möge gelingen.“
Das wünsche ich auch allen LeserInnen meines Blogs.
Herzlichst
Andrea Dechant
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Mehr Info zu den erwähnten Göttinnen:
Anna Perenna
Hel
Strenia
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Der Silvester, wie wir ihn am 31. Dezember feiern, liegt mitten in den Rauhnächten.
Mehr zu den Mythen, Bräuchen und Geheimnissen der Rauhnächte gibt es hier:
eBooks:
„Die Magie der Sperr- und Dunkelnächte“
„Julfest: Das Fest des wiederkehrenden Lichts“
„Von den rauen Nächten und der Wilden Jagd“
„Geschichten vom Weihnachtsmann, Muttergöttinnen, Schamanen und Rentier-Damen” – gratis Download
„Magische Misteln”
„Die magischen Geschichten der Glückssymbole“ – gratis Download
artedea-Rauhnächte-eWorkshops:
„Mit starken Frauensymbolen durch die Rauhnächte”
„Mit Göttinnen-Kraft durch die Rauhnächte“
„Mit der Magie der Zahlen durch die Rauhnächte“
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Bildquellen:
Anna Perenna, Hel, Strenia / artedea.net
rote Unterwäsche / canva.com
Pingback: Warum feiern wir heute Silvester? | saloma blog
Danke fürs Teilen. Die wunderbaren Geschichte und das grosse Wissen über all die Kulturen, sowie die wunderschönen Bilder – Malereien. Ich spüre viel Herzblut und Lebenskraft dahinter.
Ein lebensfrohes, kraftvolles und gesundes neues Jahr. Namasté…