„Zu Mariä Namen sagt der Sommer Amen.“
Auch wenn das heuer nicht sein dürfte, so geht in diesen Tagen die Zeit des sogenannten Frauendreißigst zu Ende. Die Stichtage dafür sind entweder der „Kleine Frauentag“ am 8. September bzw. das Fest Mariä Namen am 12. September.
Auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, sich mit den Hintergründen dieses katholischen Fests und dem Namen der Muttergöttin zu beschäftigen.
Warum gerade dieser 12. September? Dieser wurde von Papst Innozenz XI. (1676–1689) festgelegt – als Dank für die Bewahrung des christlichen Abendlandes vor den Muselmanen, wie sie damals genannt wurden.
Denn am 12. September 1683 haben die vereinigten christlichen Heere nach intensiver Anrufung Mariens die Zweite Wiener Türkenbelagerung mit der siegreichen Schlacht am Kahlenberg vor Wien beendet. Dem Heer wurde das Banner mit der Schutzmantelmadonna vorangetragen.
Das finde ich ja immer ganz interessant: Da soll Maria, eine Frau aus Galiläa – das an der Schnittstelle zwischen Afrika und Asien liegt – Europa vor jenen Menschen bewahren, die genau aus ihrer Heimatregion kommen. Oft habe ich ja das Gefühl, dass viele glauben, Jesus wäre im tiefsten Winter in der eingeschneiten Stillen-Nacht-Kapelle im Salzburgischen Oberdorf geboren, von seiner Mutter Maria, die sonst am Kahlenberg bei Wien wohnt.
Aber Scherz beiseite: Es ist schon fast erschreckend, welche aktuelle politische Brisanz dieses Fest hat, das da so vordergründig als harmloses Sommerschluss-Fest daherkommt.
Dieses wurde übrigens bei der katholischen Liturgiereform 1970 aus dem Feiertagskalender gestrichen. Was allerdings nicht davon abgehalten hat, diesen Tag weiterhin groß zu feiern. So wurde die Mariä Namen-Feier ab 1958 jahrzehntelang in der Wiener Stadthalle in großem Rahmen vor mehreren tausend Menschen gefeiert, seit 2011 findet sie im Wiener Stephansdom statt.
Das bittere Meer
Nun aber zum Namen. Zu dessen Bedeutung gibt es zahlreiche Erklärungsversuche.
Der lateinische Namen Maria hat seine Wurzeln im hebräischen Mirjam (auch Marjam). Als erste Trägerin dieses Namens begegnet uns im Alten Testament eine Mirjam als Schwester des Moses. Diese wurde geboren, als der Pharao anfing, die neugeborenen israelitischen Knaben ertränken zu lassen. Er soll daher „Bitterkeit des Meeres” bedeuten. Als aber die IsraelitInnen trockenen Fußes durch das Rote Meer gelangten, sei ihr Name Mirjam in Maria – „Stern des Meeres” – verändert worden.
Der hebräischen Namen Mirjam, auf den das lateinische Maria zurückgeht, bedeutet übersetzt tatsächlich: „bitteres Meer“ bzw. Meerestropfen, aus den hebräischen Bezeichnungen mir/mar für „bitter“ und jam für „Meer“. Übertragen ins Lateinische bedeutet das „stilla maris“.
Vermutlich durch einen Schreibfehler entstand daraus einer der bekanntesten Beinamen Mariens „Stella Maris“ (lateinisch für „Stern des Meeres“).
Auch werden andere Ableitungen aus dem Hebräischen diskutiert, z.B. „die Widerspenstige“ von „marah“ (=widerspenstig sein).
Die wichtige weibliche Identifikationsfigur
Wie der Name schon verrät, steckt in diesem Maria das Wort „mare“ – das Große Gewässer, das Heilige Meer, der Heilige See. Nicht von ungefähr wird sie meist in einem blauen Umhang gehüllt dargestellt.
Sie ist ja auch so etwas wie das „Urwasser“ und damit eine Göttin des Meeres, denn aus ihrem „Fruchtwasser“ ging alles Leben hervor. Und alle Leben spendenden Gewässer wurde seit ältesten Zeiten u.a. auch unter den Namen Aphrodite-Mari, Maya, Mariam, Marah, Mere Ama verehrt.
Es gibt übrigens an die 30 Marienfeste im katholischen Kirchenjahr, vom Hochfest der Gottesmutter am 1. Januar bis zu Mariä Erwartung am 18. Dezember. Dies zeigt die enorme Bedeutung dieser weiblichen Identifikationsfigur.
Doch dies war nicht immer so. Im Zuge der christliche Missionierung stellte sich heraus, dass Menschen seit jeher ihre Bräuche und Rituale, ihr gesamtes spirituelles Leben auf eine schützende, nährende, gebärende, kraftvolle, unterstützende, sanfte, verständnisvolle Muttergöttin ausgerichtet haben.
Eine männliche Schöpfungsfigur, der noch dazu als dieser eifersüchtige und strafende Gott daherkommt, stieß auf weitgehende Ablehnung. Schöpfungskraft wurde ja immer als weiblich verstanden. Und auch sein Sohn, der Sätze von sich gab wie „Wenn einer zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, ja sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein“ (Lukas 14 ), war keine große Sympathiefigur.
Die alten Göttinnen vereint in Maria
Sollte der christliche Glauben zum Erfolgsmodell werden, musste er den religiösen Vorstellungen jener angepasst passen, die nach wie vor an dominanten weiblichen Gottheiten orientiert waren und von ihren Muttergöttinnen nicht lassen wollten.
Also musste die „Mama“ herhalten. Sie war eine vertraute Figur, denn ihre Wurzeln reichen zurück bis in die Steinzeit. Und damit trägt Maria viele Züge Attribute und Eigenschaften von uralten Göttinnen in sich.
In Italien kann fast davon ausgehen, dass jeder Platz einer alte Kirche früher ein Heiligtum der Juno, Isis, Minerva, Diana oder Hekate war. Maria übernahm den Tempel der vielbrüstigen Artemis von Ephesos und jenen der Isis in Philae.
In Maria vereinen sich die keltische Brigid, die germanische Freya, die babylonische Ischtar, die baltische Himmels- und Sonnengöttin Saule, die gallische Rigani, die skandinavische Man, die hurritische Hebat, die griechische Kybele, die zypriotische Aphrodite.
Ganz eindeutig wird der Ursprung der Maria bei großen Wallfahrtsorten wie in Lourdes, wo der 14-jährigen Bernadette eine „weiße Dame” erschienen ist, die dann als Jungfrau Maria interpretiert wurde. In dieser Gegend gab es die alte Muttergöttin Mari, die als lichtvolle Figur wahrgenommen wurde. Bernadette hat nie von Maria gesprochen, sondern immer nur von einer „weiße Dame”. Ein A mehr in ihrem Namen – und schon wurde die alte Muttergöttin des Baskenlandes christlich verdrängt und ersetzt.
Auch die alten Candomblé-Göttinnen Oshun und Yemaja werden nach den missioniarischen Bemühungen der Christen mit der Jungfrau Maria gleichgesetzt.
Diese Aufzählung alter Göttinnen, die schon lange vor Maria verehrt wurden, ist beliebig fortsetzbar.
Die Kirche hat es nicht leicht mit Maria
Dieser „Spagat“, den die Einführung der weiblichen Figur nach sich zog, fiel den unterschiedlichen christlichen Kirchen alles andere als leicht. Es gab heftige Rivalitäts- und Machtkämpfe allein wenn es um die Begriffe „Gottesmutter“ contra „Gottes-Gebärerin“ ging.
Und Martin Luther, der im 15. Jahrhundert ernsthaft überlegte, ob Frauen überhaupt eine Seele haben, wandte sich entschieden gegen die Marienverehrung und warnte vor einer falschen Überhöhung der Gottesmutter.
Dass eine weibliche Figur im Christentum nicht sehr zentral vorgesehen war, das äußerst sich schon allein darin, dass Maria außer in den ersten beiden Kapiteln von Lukas und Matthäus und in Johannes Kapitel 2,1-12 (Hochzeit zu Kana) nur noch fünfmal kurz erwähnt wird und das auch eher nur beiläufig.
Im ursprünglich rein patriarchal strukturiertem Christentum erkannte man also recht bald, dass sich die Menschen ohne einen weiblichen Aspekt in ihrem Glauben schwer tun werden. So hat die katholische Kirche die Gestalt der Maria quasi als PR-Maßnahme erfunden bzw. wiederentdeckt.
Ein weiterer Spruch zum 12. September ist:
„Zu Mariä Namen kommen die Schwalben zusammen.“
Ich habe den für mich umgetextet in:
„In Mariä Namen kommen die Göttinnen zusammen.“
Denn Maria hat unglaublich viele der alten Göttinnen, die rund um den Erdball in unterschiedlichsten Epochen verehrt wurden, quasi „unter ihrem Rock“ versteckt.
In der Figur der Madonna werden sie allesamt ungebrochen weiter verehrt.
Was Maria vielleicht erspart geblieben wäre
Und weil wir gerade bei den Feiertagen der patriarchalen Religionen sind: Heute feiert die islamische Welt das Opferfest. Es geht hier um Abraham und seine Liebe zu Gott.
Der Prophet Abraham (Ibrahim) ist im jüdischen, christlichen und moslemischen Glauben nämlich ein großes Vorbild für die Liebe und das Vertrauen zu Gott. Allen drei Religionen ist überliefert, dass Abraham sogar bereit war, seinen Sohn Isaak (Ismael) zu opfern. Gott erlöste ihn jedoch und hielt ihn im letzten Moment von der Tat ab.
Abraham musste schließlich nur ein Widder opfern.
Die Geschichte wird im Koran in Sure 37,99–113 erzählt. In der Bibel ist es die Erzählung von der Opferung Isaaks (Gen 22,1–19 EU).
Wie krank ist das denn?
Ein Gott der von einem Vater fordert, seinen Sohn zu schlachten.
Da frage ich mich: Welches Vorbild blinden Gehorsams und unvernünftiges Handelns wird in den „Heiligen Schriften“ dieser patriarchalen Religionen als Beispiel für tiefgehenden Glauben gegeben?
Und welche Menschen sind das, die solche Religionen mit so einem Gottesbild gut finden?
Da steigt Abraham mit seinem Sohn auf einen Berg, um ihn zu opfern, weil Gott es ihm befiehlt. Isaak trägt sogar das Brennholz für seine eigene Opferung.
Und: Wo eigentlich war Sarah, die Mutter Isaaks, während ihr Mann da mit dem Sohn wegging, um auf den Berg zu steigen. Was hat er ihr erzählt? Sie wird mit keinem Wort erwähnt, obwohl sie in der Bibel als Erzmutter Israels gilt.
Hätte sie nicht mit Gott verhandelt und die Heiligkeit des Lebens (jenes ihres Sohnes und jenes des Opfertieres) ins Zentrum gestellt? Hätte sie diesen Gott nicht an sein eigenes 5. Gebot erinnert? Und hätte sie ihn nicht schon damals mit klugen Worten daran gehindert, dass Gott später auch seinen eigenen Sohn opfert?
Das hätte das Leben der Maria, deren Namen die Katholische Kirche heute feiert, auch um vieles erleichtert.
Mehr zum Unterschied zwischen „Opfer“ und „Weihegaben“, wie sie in antiken Tempelkulten für Göttinnen üblich waren finden sich in meinem Beitrag zur Pachamama vom 1. August 2016.
Mehr zu den erwähnten Göttinnen:
Aphrodite
Artemis
Brigid
Diana
Freya
Hebat
Hekate
Ischtar
Isis
Juno
Man
Maya
Mere Ama
Minerva
Oshun
Rigani
Saule
Yemaja
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