Wintersonnenwende: Feiern wir die Dunkelheit

Der Winterbeginn fällt heuer, im Jahr 2023, auf den 22. Dezember. Morgen um exakt um 04:27 mitteleuropäischer Zeit hat die Sonne ihren südlichsten Punkt auf dem südlichen Wendekreis erreicht.
Die Wintersonnenwende ist immer eine besonders magische Zeit im Jahr: Aus der größten, längsten und tiefsten Dunkelheit heraus wird das neue Licht geboren.
In vielen Religionen, spirituellen Richtungen und in zahlreichen Kul­tur­krei­sen wird die Wintersonnenwende daher in un­ter­schiedlicher Art und Weise rituell gefeiert.

In der größten Dunkelheit „wendet“ sich die Zeit.

Ab nun, ab Winterbeginn wer­den die Tage all­mäh­lich wieder länger und die Son­ne gewinnt täglich neue Kraft, kaum spür­bar noch, doch hoffnungsfroh.
Mit dem Fest der Wintersonnenwende ma​ch​ten sich die Men​schen schon vor langer, langer Zeit bewusst, dass sie nicht ewig in den Klauen des kalten Win​ters gefan​gen sind. Es war daher im​mer schon ein ​Fest der Hoff​nung​, des Le​bens und des Neu​be​ginns.

Die Nacht der Mütter

Zum winter­li­chen Wendepunkt der Sonne bringt die Große Mutter das Licht erneut zur Welt, oft in Form eines „göttlichen Kindes“, eines Hoff­nungs­trägers, der die Welt errettet. Das war in vielen Kulturen und Religionen so und wurde vom Christentum nur übernommen. Denn nach den Schilderungen in der Bibel fand die Geburt von Jesus nicht im Winter statt. So spre​chen Bibelstellen z.B. da​von, dass zu Jesu Ge​burt die ​Hirten ​auf dem Felde mit ihren Her​den schlie​fen – was auch in dieser Re​gion im Dezember nicht üblich war.
Nicht von ungefähr nannten unsere angelsächsischen AhnInnen diese Nacht auch „Modraniht“ – die „Nacht der Mütter“, die später im Römischen Reich in „matrum noctem“ umgewandelt wurde. Verehrt und gefeiert wurde in alten Zeiten die Mutter und nicht so sehr das Kind. Denn in dieser Nacht gebiert die Göttin tief in der finsteren Erde in der stillsten aller Stunden das neue Sonnenkind.

Die Dunkelheit ehren

Wir sollten daher diese Wintersonnenwende nicht zum triumphalen Sieg des Lichts über die Finsternis verkommen lassen, wie dies in patriarchalen Traditionen nur allzuoft geschehen ist, wo alles Dunkle, Erdige als negativ und alles strahlend Helle, Himmlische als positiv verstanden wird.

Genießen wir diese laaaange, dunkle Stille dieser besonderen Nacht.
Wie die samtige Geborgenheit tief in einer Gebärmutter, aus der wie ein kleiner Lichtfunken Leben hervorkommt. Und dann mehr und mehr zu wachsen und zu leuchten beginnt.

Ein Ritual zu dieser Zeit des Jahres wird erst rund, wenn auch die große Dunkelheit gefeiert, gespürt und geehrt wird – die​ser ​Urzu​stand​, in dem ​alles Potential​ vor​han​den ist, dieses In​ne​hal​ten, das ruhig wer​den der Na​tur, das Zurück​ziehen in den inner​sten (Wesens-)​Kern. Wird die Wintersonnenwende hingegen pri​mär als ​Lichtritual​ gestaltet, dann kann sich das ​rituelle Geheimnis ​dieses Festes sehr leicht ver​formen.

Der Urzustand mit seinem gesamten Potential

Denn alles, alles, alles kommt aus der Dunkelheit.
Jedes Samenkorn – ob Pflanze, Tier, Mensch, ist in der Dunkelheit eingebettet, bevor es ans „Licht der Welt kommt“. Verborgen und beschützt im „Erdreich“, im Reich der Erde, die oft als Muttergöttin angesehen wird oder in der dunklen Höhle einer Gebärmutter.

In vielen spirituellen Richtungen war man der Auffassung, dass die Schöpfungskraft aus dem „Urchaos“, der großen Dunkelheit kommt. Und diese Schöpfungskraft wurde in vorpatriarchaler Zeit selbstverständlich als weiblich angesehen, oft als eine Göttin.
Eine dieser vielen Göttinnen ist die griechische Nyx. Sie ist die Personifikation der Nacht und der ursprünglichen Finsternis. Als „Tochter des Chaos“ war sie von Weltenbeginn an da.

Die Dunkelheit ist der Urzustand.
Alles, alles, alles ist dunkel – das ganze Universum ist tiefste „Nacht“. Ganz selten – als große Ausnahme – eine Sonne. Um die herum ist dann „Licht“.
Diese Nacht der Wintersonnenwende ist wunderbar dafür geeignet, in diesen Urzustand einzutauchen. Umso mehr können wir uns dann über das neue Licht freuen.

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